«Ein harter Schlag, aber das geht vorbei…»

Alzheimer - Marcel und Berthe Fardel erzählen.

Vier Kinder, ein Malergeschäft, rund zwanzig Stück Vieh mit dreissig «Triichjiä», die seine Königinnen bei Stechfesten gewonnen haben, eine Leidenschaft für die Berge und das Reisen, die Reben und stets Arbeit bis über beide Ohren. Marcel Fardel aus Ayent ist äusserst aktiv.

Doch vor einigen Jahren wurde er «irgendwie komisch», erinnert sich seine Ehefrau Berthe. «Er verirrte sich, fand Wege nicht mehr, die er doch gut kannte», erklärt sie. «Eines Tages hatte er sogar einen Unfall, ohne sich daran zu erinnern, was eigentlich passiert war. Er hörte auf niemanden mehr und zog sich mehr und mehr in sein kleines Universum zurück, das nur aus ihm und seinen Kühen bestand. Mir wurde klar, dass es so nicht weitergehen konnte
 
Im Januar 2009 erlitt er einen Hirnschlag. Bei der Rehabilitation wurde die Diagnose Alzheimer gestellt. «Für uns war das eine Erleichterung», gibt Berthe zu. «Zumindest wussten wir jetzt, weshalb er sich so verändert hatte
 
Das Umfeld schonen
 
Für den 64-jährigen Marcel Fardel war das ein harter Schlag. Er musste seinen Führerschein abgeben. «Das war schrecklich», gibt er zu. «Er hat an Selbstständigkeit verloren, ich aber ebenso», unterstreicht Berthe. «Nun musste er herumchauffiert werden. Auch haben sich einige Freunde abgewendet.» Die Familie hält zusammen, doch bei Berthe macht sich Erschöpfung breit und sie muss ins Spital eingeliefert werden. «Erst da wurde mir bewusst, dass ich auch ein Leben ausser ihm habe. Ich mache, was ich kann, nach meinen Kräften und Möglichkeiten. Ich bin seine Stütze, aber Marcel weiss, dass ich auch zu mir Sorge tragen muss. Er ist übrigens sehr dankbar und bedeutend aufmerksamer als früher», lächelt sie.
 
Nebst der Unterstützung durch ihre vier Kinder finden die Eheleute Fardel Ausgleich bei verschiedenen Aktivitäten: Jeden Mittwochnachmittag spielt Marcel Boccia und am Dienstagabend singen beide in einem Chor - Marcel konnte unlängst sein 50-Jahr-Jubiläum als Sänger der Concordia feiern. Und am Donnerstag wird Marcel in der Tagesstätte betreut. «Ich muss auch mal durchatmen können, und das geht sehr gut so», bestätigt Berthe Fardel.

Die Angst vor dem Ungewissen

Das Malergeschäft wurde schon vor acht Jahren von zwei Söhnen übernommen und die Kühe wurden vergangenen Winter verkauft. «Ich muss zugeben, dass auch ich eine Träne vergossen habe, als ich die letzten beiden in den Viehwagen einsteigen sah», unterstreicht Berthe Fardel. «Aber das wurde einfach zu kompliziert.» Heute geniesst das Paar. «Ohne die Sorgen» - auch wenn die Krankheit im Alltag zu einigen Schwierigkeiten führt: «Ich kann nicht mehr schreiben und in der Beiz brauche ich etwas länger, bis ich mein Geld herausgekramt habe», führt Marcel aus. «Auch in den Reben hat er Mühe, sich zu konzentrieren. Ganz allgemein hat er Angst vor dem Ungewissen und macht sich Sorgen, kein Geld mehr zu haben», fügt seine Frau hinzu.

Zeit, das Leben zu geniessen

Die Krankheit selbst macht den Eheleuten Fardel keine besondere Angst. «Man muss an den guten Erinnerungen festhalten und wir haben noch ein schönes Leben vor uns. Ganz allgemein haben wir - die Kinder und ich - beschlossen, spontaner zu sein und uns auch mal etwas zu gönnen.» Für Marcel war wohl das Schwierigste, Verantwortung abzugeben, seine Kühe gehen zu lassen. «Aber auch das geht vorbei», meint er. Noch heute versäumt er nicht ein einziges Aufalpen. Ein purer Genuss - ohne die Sorgen um das eigene liebe Vieh.