Dennoch begann Anaïs die Ausbildung an der Pflegefach- schule und fand ihren Weg während eines Praktikums in Psychiatrie, das sie im Haus Laurier in Malévoz absolviert. «Nach diesem Praktikum wusste ich, was ich wollte.» Nach der Ausbildung bewarb sich die junge Walliserin aus Nendaz bei der Westschweizer Rehabilitationsklinik der Suva und auch beim Spital Wallis, wo sie ihre erste «richtige» Stelle erhielt.
«Mir war es wichtig, zu Beginn meiner beruflichen Lauf- bahn im Kanton bleiben zu können», erklärt Anaïs. «An- derswo ganz neu anzufangen wäre etwas schwierig gewesen. Der Übergang von der Ausbildung ins Berufs- leben bringt an sich schon viele Veränderungen mit sich, das reichte mir.» Dank der Grösse des Spital Wallis fand sie eine Stelle in ihrem bevorzugten Gebiet und konnte zu- gleich in der Nähe ihrer Familie und ihrer Freunde bleiben. «Ausserdem wurde ich sehr gut aufgenommen und be- treut, als ich im Haus Châtaignier anfing, und arbeite heute in einem tollen Team. Ich weiss, dass ich bei Bedarf auf meine Kolleginnen und Kollegen zählen kann.»
Die junge Pflegefachfrau, die in Monthey wohnt, ist vor allem für die Aufnahme und Betreuung der Patientinnen
und Patienten während ihres gesamten Aufenthalts im Spital zuständig. «Die Tage vergehen rasch, die Situatio- nen sind immer wieder anders und die Persönlichkeit der Pflegenden spielt eine wichtige Rolle. Man muss anpas- sungsfähig sein und braucht manchmal Improvisations- talent. Und man sollte nie vergessen, dass der erste Kontakt für die Patientinnen und Patienten entscheidend ist.»
Obwohl Anaïs erst seit Kurzem im Beruf ist, tritt sie enga- giert für ihn ein und bedauert, dass die Psychiatrie in der Öffentlichkeit manchmal ein negatives Image hat. «Schon in der Pflegeausbildung wird meiner Meinung nach zu wenig auf die Psychiatrie eingegangen. Und wenn darü- ber gesprochen wird, dann oft in einer Weise, die etwas Angst macht. Doch selbst auf der Notfallstation kann man auf einen schizophrenen Patienten treffen, der sich das Bein gebrochen hat... Für mich ist es ebenso wichtig, mit Menschen kommunizieren zu können, die an einer psy- chischen Krankheit leiden, wie die Behandlungspflege zu beherrschen.»
Tendenziell ist das Bild der Psychiatrie in der Öffentlichkeit immer noch negativ und das ist auch in den anderen Abtei- lungen des Spitals spürbar: Psychiatrische Kliniken gelten heute noch als «Irrenhäuser». «Natürlich gibt es schwie- rige Fälle», räumt Anaïs ein. «Aber das Spital ist auch ein Ort, an dem diese Menschen das Recht haben, krank zu sein. Die Psychiatrie wird noch zu oft als geschlossene An- stalt betrachtet. Dabei wird ausser Acht gelassen, dass wir uns vor allem in einem Spital befinden. In einem offenen Spital, das auch sehr viele Patientinnen und Patienten be- handelt, die an Depressionen oder einem Burnout leiden. Wir sind für sie da. Ohne über sie zu urteilen.»
Die junge Pflegefachfrau stellt jedoch fest, dass ein Um- denken stattfindet. «Ich hoffe sehr, dass sich die Bevöl- kerung noch mehr mit diesem Fachgebiet vertraut macht, denn ich bin überzeugt, dass es in unserer Gesellschaft wichtig ist.»